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Die Anthologie Scène im Berliner Ensemble

Das Berliner Ensemble zeigt die Veranstaltung "Scène 22", die nicht wie geplant im November auf der Bühne stattfinden konnte, nun in Form von szenischen Lesungen. Dabei werden Auszüge von zeitgenössischen Theatertexten aus französisch-sprachigen Ländern in deutscher Übersetzung präsentiert und durch Interviews mit den Autor*innen ergänzt. Olivier Choinière, Claudine Galea, Julie Gilbert, Annick Lefebvre, Alex Lorette, Sarah Jane Moloney, Myriam Saduis und Gwendoline Soublin setzen sich mit unserer dystopischen Gegenwart auseinander und fragen nach den Zukunftsperspektiven einer Generation, die mit globalen Krisen, Turbokapitalismus und Werteverfall aufgewachsen ist. Es lesen Laura Balzer, Constanze Becker, Oliver Kraushaar, Ben Münchow, Josefin Platt, Kathrin Wehlisch und Paul Zichner.

SCÈNE 22 ist ein Kooperationsprojekt vom Bureau du Théâtre et de la Danse/Institut français Deutschland mit der Vertretung der Regierung von Québec, Pro Helvetia – Schweizer Kulturstiftung und Wallonie-Bruxelles International (WBI).

In Kooperation mit dem: Berliner Ensemble

Herausgeber von Scène: Leyla-Claire Rabih und Frank Weigand

Regie: Leyla Claire Rabih, Regieassistenz : Simon Klösener

Video: Dalia Castel

FINAL CUT – MYRIAM SADUIS ÜBERSETZT VON Leyla-Claire Rabih / Frank Weigand «Final Cut» ist ein Monolog, der jedoch immer wieder collagenartig durch Stimmen aus der Geschichte und dem persönlichen Umfeld unterbrochen wird. In einer Art lecture-performance rollt die Schauspielerin und Regisseurin anhand ihres persönlichen Lebenstraumas das historische Trauma der französischen Kolonialisierung Tunesiens und seiner Folgen bis in die Gegenwart auf. Wie in einer Psychoanalysesitzung zeichnet sie die gescheiterte Liebe ihrer Eltern (Mutter: Tunesierin italienischer Abstammung, später französische Staatsbürgerin – Vater: arabischer Tunesier, der aus Frankreich ausgewiesen wird) und den anschließenden administrativen Kleinkrieg nach. Trotz aller historischen, politischen und künstlerischen Exkurse (es wimmelt in dem Stück von Verweisen auf Filme und Chansons, die die kulturelle Atmosphäre im Frankreich der 1960er-Jahre wiedergeben) bleibt der Text ein zutiefst persönliches Dokument einer pathologischen Mutter-Tochter-Beziehung. Am Beispiel der eigenen Biografie zeigt Saduis, wie eine Generation, die zwischen den Folgeschäden des Kolonialismus aufwächst, buchstäblich von der Geschichte erdrückt wird. Myriam Saduis, geboren 1962 in Dijon, ist in erster Linie Schauspielerin und Regisseurin. Nach einem Schauspielstudium am Institut Supérieur des Arts (INSAS) in Brüssel arbeitet sie zunächst Jahre lang als Interpretin, bis sie sich mit ihrer eigenen Compagnie Défilé auf die Regiearbeit konzentriert. Parallel zu ihrer künstlerischen Tätigkeit gibt sie 15 Jahre lang Theaterworkshops in psychiatrischen Einrichtungen. In ihren vielfach ausgezeichneten Regiearbeiten adaptiert sie häufig Prosatexte (z.B. von Ingmar Bergmann, Hannah Arendt oder Nicole Malinconi) für die Bühne. Für « Final Cut », ihren ersten eigenen Theatertext, erhält sie 2019 den belgischen Kritikerpreis Prix Maeterlinck. http://www.myriamsaduis.be/

DREAMJOB(S) – ALEX LORETTE ÜBERSETZT VON Christa Müller/Silvia Berutti Alex Lorette beschäftigt sich mit der kapitalistischen Verheißung der Wunscherfüllung. In seinem formal komplexen, in mehreren Erzählsträngen angelegten, mit immerhin sechs Schauspieler*innen besetzten Text, erzählt er die Geschichte von Chloé, die sich nach einem Archäologiestudium prekär von Job zu Job hangelt und schließlich im gewaltigen Lager eines multinationalen online-Versandhandels landet, hinter dem sich unschwer zu erkennen Amazon verbirgt. Als sie schließlich wegen der unmenschlichen Zeittaktung eine Fehlgeburt erleidet, legt sie ein Feuer in der Firma und flieht nach Südamerika, um das Werk des Künstlers Carlos Cruz-Diez zu erforschen, über den sie vor langer Zeit ihre Abschlussarbeit geschrieben hatte. Parallel dazu laufen die Geschichten ihres Freundes Fred ab, der vom DJ zum Kurierfahrer absteigt und die von Paul, der für sich unterschiedliche Firmen um die Entlassungen und Neuvermittlung überflüssigen Personals kümmert. Gegenfigur zu Chloé ist ihre Freundin Melina, die nach einer schweren Krankheit in ihrer Jugend nun alles tut, um sich die glänzenden Träume der Konsumwelt zu erfüllen. Hinter der kunstvollen Verwebung der Handlungsstränge verbirgt sich jedoch ein kaum verhehlter Aufruf zur Revolte. In diesem System, in dem jeder, auch die Chefs selbst, instrumentalisiert und ausgebeutet werden, ist Zerstörung womöglich die einzige Überlebenschance. Alex Lorette wurde 1973 geboren und lebt und arbeitet als Dramatiker und Regisseur in Brüssel. Zunächst studiert er Wirtschaft und Soziologie, um sich später einer Schauspielausbildung und einem Studium der Theaterwissenschaft zu widmen. 2006 gründet er die Compagnie Kinesis. Seine Texte werden in Frankreich und Belgien gespielt. « Pika Don (Hiroshima) » wurde 2018 beim Heidelberger Stückemarkt präsentiert. Für« Dream Job(s) » erhielt Alex Lorette den belgischen Regiepreis 2018-19.

https://www.theatre-contemporain.net/biographies/Alex-Lorette/